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Franziska Torma: Geographie der Macht. Identität und Differenz als Paradigmen der Erforschung West-Turkestans (1890-1935)

Forschungsreisen von Europäern in außereuropäische Räume erlebten in der Zeitspanne vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zu den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg eine Konjunktur. Obwohl Expeditionen einen festen Bestandteil der Reise- und Wissenschaftskultur der Klassischen Moderne bildeten, ist bis heute kein methodischer Ansatz entwickelt worden, der sie als historische Phänomene im Hinblick auf ihre zeitgenössischen soziokulturellen Funktionen untersucht. Das Projekt begreift für den Untersuchungszeitraum 1890 bis 1935 Forschungsreisen als Synthese aus Wissenschaft, kolonialer Ideologie und Medien. Unter dieser Perspektive liegt die Relevanz von Expeditionen und der populärwissenschaftlichen Reisepublizistik darin, dass sie – basierend auf der ethnischen und zeitlichen Codierung von Identität und Differenz – eine Ordnung der Welt festschrieben, die um Konzeptionen eines als „modern“ verstandenen Zentrums und einer als „rückständig“ begriffenen Peripherie kreiste. Am konkreten Fallbeispiel von Forschungsreisen deutschsprachiger Geo- und Kulturwissenschaftler nach West-Turkestan soll dieser Ansatz empirisch erprobt werden. Dabei versteht das Projekt die Region als Forschungs- und Erfahrungsraum und berücksichtigt folgende Aspekte:
1. für das Feld der Wissenschaft: die mental maps, die spezifische Forschungsräume für Geo- und Kulturwissenschaftler strukturierten, und sich daraus ergebende Ursprungsnarrationen und Konzeptionen von Fortschritt und Entwicklung
2. für das Feld des Kolonialismus: den Faktor „Erfahrung“ der Reisenden im Zusammenhang mit der Analyse des kulturellen Konzepts des Abenteuers als Möglichkeit der Konstruktion moderner Identitäten durch Abgrenzung zu einem als anachronistisch verstandenen Raum
3. für das Feld der Medien: die mediale Repräsentation der wissenschaftlichen Arbeit und der Reiseerfahrungen als Mittel, situationsbedingte Hierarchien als „Ordnung der Welt“ für ein breites Publikum festzuschreiben.