Neueste Geschichte und Zeitgeschichte
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Die Münchner Stadtverwaltung im Nationalsozialismus

(gefördert durch die Stadt München)

Das Gesamtprojekt – Themenstellung und Leitfragen

Als Gründungsstätte der NSDAP und Schauplatz des Aufstiegs der braunen Bewegung gewann München im Städtegefüge des „Dritten Reiches“ eine besondere Bedeutung. Die als Auszeichnungen gedachten Titel „Hauptstadt der Deutschen Kunst“ (seit 1933) und „Hauptstadt der Bewegung“ (seit 1935) symbolisierten Münchens herausgehobene Stellung in der NS-Städtehierarchie. Hier befand sich die Parteizentrale der NSDAP, und Adolf Hitler übernahm persönlich die Rolle des Parteibeauftragten zur „Sicherung des Einklangs der Gemeindeverwaltung mit der Partei“.

Die historische Forschung nahm München bisher hauptsächlich als „Wiege des Nationalsozialismus“, als „Führerstadt“ und Gauhauptstadt in den Blick. Unser Forschungsprojekt verfolgt hingegen das Ziel, die Stadtverwaltung als eigenständigen Akteur zu untersuchen, wobei wir insbesondere nach kommunalen Handlungsräumen im Spannungsfeld von übergeordneten staatlichen Instanzen und Machtansprüchen der hier ansässigen NSDAP-Institutionen wie auch nach dem Wechselverhältnis mit gesellschaftlichen Akteuren wie beispielsweise den Kirchen fragen. Das Projekt richtet den Blick zudem auf die Erwartungen der Einwohnerschaft sowie auf das Beziehungsverhältnis zwischen der Stadtverwaltung und den Münchner Bürger/innen. Städtische Behörden spielten bei der Herrschaftsvermittlung zwischen Staat und Gesellschaft eine zentrale Rolle. Sie agierten nicht nur als ausführende Verwaltungsinstanz, sondern auch - in spezifischer Ambivalenz - als eigenständiger Akteur bei der Verfolgung und der Erbringung elementarer Dienstleistungen.

Seit Sommer 2009 besteht zwischen der Stadt München und dem Lehrstuhl für Zeitgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität eine Forschungsvereinbarung, die darauf abzielt, in Kooperation mit dem Stadtarchiv eine umfassende und innovative Geschichte der Münchner Stadtverwaltung in der Zeit des Nationalsozialismus zu erarbeiten. In dem auf mehrere Jahre angelegten Gesamtprojekt sollen in einer Serie von Teilstudien wesentliche Aspekte der Stadtverwaltung in der Zeit der NS-Diktatur erschlossen werden.

Dabei stehen vier Fragekomplexe im Vordergrund. Erstens sollen die Handlungsspielräume und Interdependenzen der Münchner Kommunalverwaltung in den lokalen, regionalen und überregionalen Machtrelationen des NS-Herrschaftsapparates ausgelotet werden. Zweitens wird nach dem Selbstverständnis und damit auch nach der Sonderrolle bzw. der ideologischen Selbstverpflichtung der Kommunalverwaltung in der „Hauptstadt der Bewegung“ zu fragen sein, die in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle und Modellfunktion für das nationalsozialistische Gesamtsystem beanspruchte. Untersucht werden drittens die Ressourcen, die München im Sinne nationalsozialistischer Symbolpolitik mobilisierte, um sich selbst als Ort der Repräsentation und Inszenierung von Herrschaft darzustellen und der Stadtgesellschaft ein Angebot zur Integration in die gedachte neue Ordnung zu machen. Viertens geht es um eine Rezeptions- und Wirkungsanalyse des Verwaltungshandelns im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Gefüge der Stadt und somit auch um die Praktiken des Einschließens und Ausgrenzens im städtischen Raum.

Seit Projektbeginn entstanden zwei durch die Stadt München geförderte Dissertationen, die sich mit der städtischen Gesundheits- und Sozialpolitik befassten. Die Arbeiten werden voraussichtlich Ende 2013 beziehungsweise Anfang 2014 publiziert.

Aktuell untersuchen zwei Doktoranden die städtische Finanzverwaltung und die kommunalen Dienstleistungen im Bereich Infrastruktur und Versorgung.

Im Rahmen des Projektes wurden bisher zwei wissenschaftliche Tagungen organisiert. In einem Forschungskolloquium im November 2009 stellten Archivare des Münchner Stadtarchivs, des Staatsarchivs, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der Kirchenarchive ihre relevanten Bestände vor und diskutierten über deren Auswertungsmöglichkeiten. Im Januar 2011 präsentierte sich der Forschungsverbund auf einem Workshop, der Experten auf dem Gebiet der nationalsozialistischen Kommunalgeschichte in München zusammenführte.

Die Studierenden des Forschungsseminars „München im Nationalsozialismus. Handlungsfelder städtischer Politik“, das im Sommersemester 2011 in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv stattfand, erschlossen das weit gefächerte Feld der kommunalen Repräsentations- und Symbolpolitik.

Kontakt:

Aktuelle Bearbeiter: Astrid Bösl, M.A., Mathias Irlinger M.A., Jan Neubauer, M.A.

Ehemalige Bearbeiter/in: Dr. Anemone Christians, Dr. Florian Wimmer M. A. (t) , Dr. des.Paul Moritz Rabe

Projektleitung: Prof. Dr. Hans Günter Hockerts, Prof. Dr. Margit Szöllösi-Janze, Prof. Dr. Christiane Kuller, PD Dr. Winfried Süß

Kooperation mit dem Stadtarchiv München: Dr. Michael Stephan,  Dr. Andreas Heusler