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Sebastian Strube: "Golddörfer": Die Konstruktion des ländlichen Raumes, der Dorfgemeinschaft und lokaler Identität in der Bundesrepublik 1961–1979

„Golddörfer“: Zwischen 1961 und 1979 gab es genau 130. Sie hatten im Rahmen des Bundeswettbewerbs „Unser Dorf soll schöner werden“ Maßstäbe für Entwicklung des ländlichen Raumes gesetzt und waren dafür vom Bundespräsidenten in Bonn und später Berlin mit einer Goldplakette ausgezeichnet worden. Die „Golddörfer“ sollten „als Beispiel herausgestellt werden, um so anderen Gemeinden würdige Vorbilder zum Nacheifern zu geben.“ Am Beispiel des Wettbewerbs soll gezeigt werden, wie der nicht urbane Raum in der Bundesrepublik als „ländlicher Raum“ neu definiert wurde und ihm spezifische Funktionen und kulturelle Eigenheiten zugeschrieben wurden. Gleichzeitig wird danach zu fragen sein, in wie weit die lokale Bevölkerung diesen Modernisierungsprozess mit vollzog und so zu einer neuen Selbstwahrnehmung und Identität gelangte. Der Dorfwettbewerb trug zu diesem Prozess wesentlich bei, indem er das kulturelle und ästhetische Beschreibungsinventar bereit stellte und popularisierte, mit dessen Hilfe der „ländliche Raum“ von den urbanen Räumen der Bundesrepublik abgegrenzt werden konnte. Gleichzeitig erfolgte eine verstärkte Vernetzung des ländlichen Raumes mit dem nationalen und europäischen Wirtschafts- und Herrschaftsräumen. Zudem sollte der Wettbewerb den finanziellen und sozialen Druck ausgleichen, der aus dem Gegensatz zwischen einer eindeutigen und statischen kulturellen Beschreibung des „ländlichen Raumes“ und den Forderungen einer immer weiterergehenden funktionalen Differenzierung desselben entstand. Dazu wurden lokalen Dorfgemeinschaften neue Vermittlerrollen zugewiesen.