Neueste Geschichte und Zeitgeschichte
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1. Laufende Forschungsprojekte

(Stand April 2023)

  • Die Rolle der Münchner Stadtverwaltung im Nationalsozialismus
    Finanzierung: Landeshauptstadt München
    (Projektleitung mit Hans Günter Hockerts, Christiane Kuller, Winfried Süß)
    Die zeithistorische Forschung diskutiert gegenwärtig intensiv eine Neuperspektivierung der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“. Nachdem zunächst deren radikale Exklusionsmechanismen im Fokus standen, werden nun auch die Inklusions- und Leistungsangebote des Regimes herausgearbeitet, die freilich stets Hand in Hand mit der Exklusion, Verfolgung und ggf. Vernichtung „rassisch“ und politisch nicht erwünschter Menschen gingen. In diesem Kontext gewinnen auf lokaler Ebene die Finanzverwaltung der Stadt (als Instrument der Finanzierung und Steuerung) und die kommunalen Dienstleistungen in Gestalt der Infrastruktureinrichtungen an geschichtswissenschaftlicher Relevanz, die in zwei eng aufeinander bezogenen Projekten untersucht werden.
    Bearbeiterinnen:
    Marlis Lapazinski: Ernährung/Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln.
    Clara Sterzinger-Killermann: Schule und städtische Kultureinrichtungen im nationalsozialistischen München (seit 2/2020).
    Ina Deppe: Jugend und Stadtjugendamt im nationalsozialistischen München (seit 01/2022)
  • Politische Gewalt in der Bundesrepublik. Bewegung 2. Juni – Revolutionäre Zellen und Rote Zora – Rote und Schwarze Hilfen
    Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
    Das Projekt untersucht drei Gruppierungen, die bislang medial wie wissenschaftlich im Schatten der RAF standen. Das Teilprojekt zur Bewegung 2. Juni konnte im November 2021 erfolgreich abgeschlossen werden.
    Es hat sich erwiesen, dass die Geschichte der Revolutionären Zellen (RZ) als sozialrevolutionärer Zusammenhang in Westberlin bzw. der Roten und Schwarzen Hilfen (RSH) als Solidaritätsorganisationen (in Westberlin, München, Frankfurt a.M., Hamburg, Köln) auf Basis bislang unbekannter, teils unerschlossener Quellen neu und anders geschrieben werden muss. Die Teilprojekte stellen den bislang vernachlässigten Praxisaspekt analytisch ins Zentrum. Sie können zeigen, dass politische Gewalt bzw. deren Unterstützung nur einen Teil eines viel breiteren Handlungsrepertoires darstellte. Daneben finden sich, örtlich wie im Zeitverlauf schwankend, viele weitere kommunikative und solidarische Praktiken (bspw. Herausgabe eigener Zeitungen, Beratungsangebote, gefälschte Gutscheine und Hausbesetzungen für Angehörige der “Randgruppen”), die auf transnationale wie historische Transferprozesse zurückgingen. Sowohl die RZ als auch die RSH bezogen sich zunächst auf die historischen Erfahrungen und Praktiken der internationalen Arbeiter:innenbewegung, der studentisch geprägten Proteste um 1968 sowie der daraus hervorgegangenen Ansätze von Stadtguerilla und Betriebsarbeit. Zudem entwickelten sie diese Praktiken im Austausch mit (anderen) bewaffneten Gruppierungen wie der Bewegung 2. Juni, dem urbanen linksalternativen Milieu wie den Gruppen der “undogmatischen” Linken und Neuen Sozialen Bewegungen wie den Hausbesetzer:innen weiter. Die Auswahl insbesondere militanter Aktionsformen hing von den jeweiligen Zielgruppen ab: Eine Solidarisierung mit der Arbeiter:innenschaft erforderte andere Praktiken als eine Mobilisierung der Autonomen. Aus den Quellen lassen sich neue personelle, thematische und praxeologische Verbindungslinien von der APO hin zu den Neuen Sozialen Bewegungen festmachen, die den bisherigen Forschungsstand erweitern.
    Bearbeiter:innen:
    Dominik Aufleger: Rote und Schwarze Hilfen (seit 06/2019)
    Anna Greithanner: Revolutionäre Zellen (seit 06/2019)
  • Kooperation und Konkurrenz in der Wissenschaft (https://www.kooperation-und-konkurrenz.geschichte.uni-muenchen.de/forschung/forschungsfelder/index.html)
    Forschungsgruppe, Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
    Die Forschungsgruppe greift eine zentrale Fragestellung der Wissenschaftsgeschichte auf: In welchem Spannungsverhältnis stehen Konkurrenz und Kooperation in der Wissenschaft im Zeitraum der 1970er- bis 1990er-Jahre? Drittmittel, Publikationen in einschlägigen Zeitschriften oder Spitzenplätze in Rankings – um diese und andere Prämien konkurrieren Wissenschaftler:innen und wissenschaftliche Einrichtungen. Entsprechend wird der Wissenschaftsbetrieb oft als Wettkampf aller gegen alle beschrieben. Übersehen wird dabei, dass Forscher:innen auf vielfältige Weise in kooperative Strukturen eingebunden sind: Sie verfolgen ihr Forschungsziel nicht selten innerhalb einer Gruppe, teilen die Ergebnisse ihrer Arbeit mit Kolleg:innen und tauschen sich auf Fachkongressen aus. Dieses Paradox des modernen Wissenschaftsbetriebs rückt die Forschungsgruppe in den Fokus. Sie untersucht an Beispielen aus dem späten 20. Jahrhunderts in West- und Ostmitteleuropa sowie den USA, wie (und warum) wissenschaftliche Akteure trotz unterstellter Konkurrenzsituation kooperierten oder umgekehrt angelegter Kooperation konkurrierten. Dabei prüft sie auch den Einfluss anderer gesellschaftlicher Felder wie der Politik oder der Ökonomie.

    Bearbeiter: Magnus Altschäfl, Kooperation und Konkurrenz vor Ort. Die Herausbildung des Standorts München-Martinsried als Zentrum von Lebenswissenschaft und Biotechnologie (Phase 1, assoziiert)
    Die Life Sciences sind spätestens seit ihrem Aufstieg zur neuen Leitwissenschaft epistemisch eng auf Kooperation angewiesen, markieren jedoch zugleich ein international hochkompetitives, stark ökonomisch bestimmtes Forschungsfeld. Das Projekt untersucht Martinsried bei München als Wissenschaftsstandort, an dem sich die globale Vernetzung lokaler lebenswissenschaftlicher Forschung gleichsam vor Ort materialisiert(e). In Martinsried, so die These, schlugen sich seit seiner Gründung vielfältige Kooperations- und Konkurrenzverhältnisse nieder, die sich miteinander verknüpften, verdichteten und institutionalisierten.
    Das Projekt geht von der Beobachtung aus, dass die biowissenschaftliche Wissensproduktion immer weniger innerhalb etablierter Disziplinen und Institutionen, sondern zunehmend in interaktiven Netzwerken erfolgte. Es untersucht ein komplexes Gefüge sich durchdringender und verändernder Konkurrenz- und Kooperationsbeziehungen: innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin bzw. zwischen Disziplinen jeweils in ihren nationalen wie internationalen Bezügen; zwischen verschiedenen Typen organisierter Forschung (universitäre, außeruniversitäre, Industrieforschung); zwischen Forschung, chemischer Industrie und weltweit konkurrierenden Biotech-Firmen; zwischen regionaler, nationaler und internationaler politischer Ebene. Im Zeitverlauf verschob sich das Verhältnis von öffentlich finanzierter und privat genutzter Forschung. Welche epistemischen Rückwirkungen dies nach sich zog, wie sich die moral economy der Wissenschaftler veränderte, bildet den argumentativen Fluchtpunkt des Vorhabens.